Fair produzierte Fahrräder aus Bambus
Nachhaltigkeit
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Ein eigenes Unternehmen zu gründen, das ein ökologisch und sozial nachhaltiges Produkt vertreibt: Das haben sich Maximilian Schay und Jonas Stolzke schon in jungen Jahren zum Ziel gesetzt. Ihr Plan ist aufgegangen. Mit ihrer my Boo GmbH haben die beiden Freunde ein Bambusfahrrad entwickelt, das sich mittlerweile über die Grenzen Deutschlands hinaus auf dem Markt etabliert hat. Der Rohstoff für den Rahmen kommt aus Ghana.
Maximilian Schay (30) und Jonas Stolzke (29) haben ihr Studium der Betriebswirtschaftslehre an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel mit dem Bachelor abgeschlossen. Ende 2013 gründeten sie noch während des Studiums die my Boo GmbH und brachten wenige Monate später ihre ersten Bambus-Fahrräder auf den Markt. Beim Deutschen Nachhaltigkeitspreis 2019 schaffte es ihr Unternehmen gemeinsam mit dem ghanaischen Partner Yonso Project in der Kategorie „Globale Unternehmenspartnerschaften“ unter die ersten drei.
Dass es ausgerechnet Bambusfahrräder geworden sind, ist einem Zufall geschuldet. Ein Freund, der 2012 ein freiwilliges soziales Jahr in Ghana machte, sah dort damals eine schlichtere Variante eines solchen Rads und schickte Maximilian Schay und Jonas Stolzke ein Foto – weil er wusste, dass die beiden auf der Suche nach einer spannenden Geschäftsidee waren. „Wir saßen nebeneinander im Hörsaal und waren sofort angefixt“, erzählt Schay. Seinen heutigen Kompagnon Jonas Stolzke hatte er im ersten Semester des BWL-Studiums kennengelernt und sich schnell mit ihm angefreundet. „Wir sind beide begeisterte Fahrradfahrer, waren aber keine Experten“, sagt Schay. „Und nach Afrika hatten wir damals auch keine besondere Verbindung. Aber wir haben erkannt, dass wir daraus ein Social Business machen könnten, wie wir es uns immer vorgestellt hatten.“ Also begannen die beiden zu recherchieren. Dabei stießen sie auf den Ghanaer Kwabena Danso, der im Rahmen eines UNProjekts gelernt hatte, wie sich aus Bambus Fahrräder herstellen lassen. Nach seinem Betriebswirtschaftslehre- und Psychologie-Studium in Ghanas Hauptstadt Accra war Danso in sein Heimatdorf Yonso zurückgekehrt, um den Menschen dort Bildungschancen zu ermöglichen und ihnen Wege aus der Arbeitslosigkeit aufzuzeigen.
Das zu diesem Zweck von ihm gegründete Yonso Project finanzierte sich über Spenden und stand kurz vor dem Aus, als Danso die beiden Studenten aus Deutschland kennenlernte. „Das war Schicksal, dass wir Kwabena genau in dem Moment kontaktiert haben“, meint Schay. Nach einem ersten Kennenlernen via Skype reisten er und Stolzke Anfang 2013 nach Yonso, um sich an Ort und Stelle zu informieren. Zu der Zeit beschäftigte das dortige Projekt drei Mitarbeiter, die in einem kleinen Raum Produkte aus Bambus herstellten: Darunter erste Fahrradrahmen sowie Bambuskörbe. Danso erwähnte, dass er perspektivisch auch eine Schule eröffnen wolle – und begeisterte seine Gäste damit vollends. Zurück in Deutschland ging dann alles ganz schnell. Maximilian Schay holte einen befreundeten Unternehmer als Business Angel ins Boot, der neben dem Startkapital auch geschäftliches Know-how einbrachte. Ende 2013 gründeten die beiden Jungunternehmer die my Boo GmbH, im April 2014 erfolgte der Verkaufsstart für ihr erstes Bambusrad. „Die ersten zwei Jahre sind wir mit einem Bulli durch Deutschland gefahren und haben Fahrradhändlern unsere Räder angeboten“, erinnert sich der 30-Jährige, der bei my Boo für den Bereich Vertrieb und Marketing zuständig ist. Inzwischen ist ihr Produkt zur Erfolgsgeschichte geworden, die jährlichen Verkaufszahlen der ab 1.900 Euro zu erwerbenden Fahrräder sind mittlerweile vierstellig. Mehr als 200 Fachhändler in ganz Europa haben die Räder in ihr Angebot aufgenommen. Darüber hinaus kann man sich ein ganz individuelles my Boo online konfigurieren. Am bereits mehrfach erweiterten Firmensitz in Kiel sind aktuell rund 50 Beschäftigte tätig, die für die Endmontage mit klassischen Standardkomponenten ebenso zuständig sind wie für die Koordinierung von Produktion, Vertrieb, Marketing, Produktentwicklung und Umsetzung der sozialen Projekte in Ghana. In Yonso, wo jeder Rahmen in 80-stündiger Handarbeit gebaut wird, sind bisher 40 fair bezahlte Arbeitsplätze entstanden. Der Bambus wächst dort in Wäldern rund um das Dorf und wird mit der Machete von Hand geschlagen. Dank ihres rasanten Wachstums haben die Pflanzen schon nach zwei bis drei Jahren wieder ihre ursprüngliche Höhe von gut 20 Metern erreicht. „Bambus ist extrem stabil und gleichzeitig leicht“, erläutert Jonas Stolzke, der im Unternehmen die Position des technischen Geschäftsführers innehat. Bei Stößen finde der Bambus wieder in seine alte Form zurück, anstatt sich zu verbiegen oder zu brechen. „Stabil wie Stahl, leicht wie Aluminium und komfortabel wie Carbon – das macht ihn zu einem perfekten Werkstoff für Fahrradrahmen“, betont der 29-Jährige. Die Knotenpunkte der Bambusrohre werden mit klassischen Hanfseilen fixiert, die es in Ghana auf jedem Markt zu kaufen gibt. Schwieriger gestaltete sich die Suche nach einem passenden Harz, um die Seile darin zu tränken und so zu festigen.
Copyright (Aufmacher, Porträt, 03, 04): Robert Strehler | Copyright (01, 02): My Boo
„Gängige Kleber enthalten viel Kunststoff, für den Erdöl-Ressourcen verbraucht werden“, sagt Stolzke. „Wir haben nach langer Suche in Spanien ein Kunstharz gefunden, das aus recycelten Industrieabfällen gewonnen wird.“ Der Antrieb der beiden Gründer war es von Anfang an, die Räder unter fairen Bedingungen herzustellen, einen positiven Mehrwert entlang der gesamten Wertschöpfungskette zu schaffen und ökologisch nachhaltig zu produzieren. Ganz ohne Kompromisse geht es allerdings nicht, wie das Beispiel Kunstharz zeigt. Zudem ist ein späteres Recycling problematisch, da die Rahmen lackiert werden müssen, um sie wetterbeständig zu machen, und auch der Schifftransport von Ghana nach Deutschland fließt in die Gesamtbilanz mit ein. „Die meisten anderen europäischen Hersteller beziehen ihre Rahmen aus dem asiatischen Raum, von wo die Schiffe noch viel länger unterwegs sind“, macht Stolzke deutlich. „Wir sind immer auf der Suche nach der besten Alternative, um die Fertigung unter dem Strich möglichst grün zu gestalten.“ In Ghana sind er und Maximilian Schay regelmäßig zu Gast. Zu Kwabena Danso und seinem Team in Yonso haben sich freundschaftliche Beziehungen entwickelt. Und da die erzielten Erlöse – also die Summe nach Abzug aller Material- und Personalkosten – direkt in das Yonso Project fließen, hat sich inzwischen auch der Traum des ghanaischen Partners nach einer Schule im Dorf erfüllt. Die Yonso Project Model School öffnete Ende 2019 und bietet aktuell knapp 400 Kindern regelmäßigen Unterricht. Mittelfristiges Ziel ist es, die Einrichtung weiter auszubauen und dann bis zu 1.000 Jungen und Mädchen den Weg zur Bildung zu ebnen. Darüber hinaus sind in der Gegend schon mehrere hundert Bambusräder verteilt worden, damit die Kinder die zum Teil weiten Wege zur Schule zurücklegen können. Für die my-Boo-Chefs ist dieser soziale Part ihres Unternehmens genauso wichtig wie der ökonomische. „Wenn Gründer freiwillig gesellschaftliche Verantwortung übernehmen, kann das der Schlüssel zu einer nachhaltigen und zukunftsfähigen Wirtschaft sein“, ist Maximilian Schay überzeugt. Künftig wollen die Unternehmer ihre Produktpalette weiter vergrößern. Schon jetzt haben sie neben Sport-, City- und TrekkingRädern auch E-Bikes im Angebot. Ab Sommer 2022 sollen zusätzlich Cargo-Bikes in den Verkauf gehen. Wer über nachhaltige Mobilität rede, komme daran nicht vorbei, erläutert Schay. „Wir wollen den Rohstoff Bambus weiter etablieren, weiter gesund wachsen und anderen als Vorbild dienen“, betont der 30-Jährige. Dabei ist es für ihn und seinen Kompagnon ganz selbstverständlich, dass sie die durch das Wachstum entstehenden Möglichkeiten nutzen wollen, um auch in Ghana noch mehr in das gemeinsame Projekt zu investieren.
Mehr Informationen zu my Boo, ihren Produkten und Projekten bekommen Sie hier: www.my-boo.de